Papa, wie können wir die Kobolde im Kanal loswerden?

Der kleine Felix ist aufgeregt: Sein Vater ist endlich von der Konferenz zurück und hat ihm eine besonders spannende Gutenachtgeschichte mitgebracht. Diesmal geht es um die unterirdischen Geheimnisse im Kanal.

Von Alexander Jereb, Entwicklungsleiter Wassertechnik

Papa, wie heißt die große Stadt, in der du das letzte Mal warst, und was hast du dort gemacht?
Ich war in Prag beim „International Congress on Urban Drainage“, kurz ICUD. Da wird diskutiert, was man mit Wässern in Städten macht. Das beinhaltet Abwasser, Kanäle, Kläranlagen, aber auch Regenwasser. Vieles davon spielt sich für uns nicht sichtbar unter der Erde ab.

Was ist da unter der Erde?
Heinzelmännchen, Zwerge oder gar fürchterliche Monster?
Keine Angst, Monster gibt es keine. Eher viele Heinzelmännchen, von den winzigen Bakterien bis hin zu den Kanalarbeitern, die die Kanäle in Schuss halten und sicherstellen, dass unser Abwasser, aber auch das Regenwasser abgeleitet werden und nicht die Straßen oder Häuser überfluten. Die Städte wachsen, die Herausforderungen ebenso – nicht zuletzt durch Extremsituationen wie Flutereignisse. Es gibt auch alltägliche Probleme, für die es noch Lösungen zu finden gilt. Vielleicht haben Experten in einer anderen Region der Erde dasselbe Problem und schon eine Idee, wie es gehen könnte.

Können die nicht einfach Google fragen?
Google weiß zwar vieles, die gemeinsame Diskussion von Problemstellungen auf Kongressen wie diesen ist jedoch nicht durch eine Suchmaschine zu ersetzen.

Was haben die Fachleute so im Untergrund gefunden?
Im Vortragsblock „Prozesse im Kanal“ wurde unter anderem über Fettablagerungen gesprochen. Eine Vortragende konnte da gleich auf einen aktuellen Vorfall in London Bezug nehmen. Denn dort hat man kurz davor einen riesigen Pfropfen aus Fett, Windeln und Feuchttüchern gefunden, der so viel wog wie elf Doppeldeckerbusse.

Igitt! Und du hast gesagt, es gibt keine Monster. Wo kommt das eklige Ding her?
Von uns allen! Fettreste von unseren Mahlzeiten bilden im Kanal mit Calcium Seifen, die sich in den Rohren ablagern. Verstärkt wird das durch Dinge, die im Kanal nichts verloren haben, zum Beispiel Windeln. Immer öfter werden Feuchttücher zum Albtraum der Kanalarbeiter. Da sie nicht zerfallen wie Klopapier, bleiben sie im Kanal und vor allem in den Abwasserpumpen hängen und müssen mühsam entfernt werden.

Welche Geheimnisse kann man im Kanal noch entdecken?
Eine spannende Geschichte war eine Studie zum Thema Drogen- und Medikamentenrückstände im Abwasser. Forscher in Australien haben Proben aus Kanälen auf Abbauprodukte unterschiedlicher Suchtmittel, aber auch gängiger Medikamente untersucht. Dass die dort gefunden werden, ist nichts Neues. Die Forscher konnten jedoch die Mengen im Abwasser auf den Pro-Kopf-Verbrauch zurückrechnen. So konnte belegt werden, dass in den Städten vor allem der Kokainverbrauch Freitag und Samstag hoch ist, der Alkoholverbrauch in Australien pro Kopf zurückgeht und in ländlichen Gebieten eher Crystal Meth geschluckt wird. Wenn man vermehrt Rückstände von Herz- und Kreislaufmitteln findet und die Bevölkerungszahl kennt, weiß man, ob der Verbrauch höher als anderswo ist und damit auch die Anzahl der Herzerkrankungen und Ähnliches.

Dann muss es dort auch vermehrt Fettberge im Kanal geben!
Wieso denn das?

Na ja, sagt man nicht, viel fettes Essen ist schlecht für das Herz? Das muss ja irgendwann alles im Kanal landen und dort Seife machen … Was hast du eigentlich den Leuten erzählt?
Ich durfte im Rahmen eines Blocks „Gas odour from sewers“ unsere Erkenntnisse zum Thema Kanalgeruchsbekämpfung präsentieren.

Das ist das mit den faulen Eiern, stimmt’s?
Es geht um den Schwefelwasserstoff, der wie faule Eier riecht. Jedes Abwasser enthält Schwefelverbindungen wie Sulfate. Das ist kein Problem, so lange genug Sauerstoff im Abwasser ist. Sind die Aufenthaltszeiten im Kanal aber hoch, wird der Sauerstoff bald verbraucht und am Ende bleibt nur mehr Sulfat als Sauerstoff quelle. Es gibt Mikroorganismen, die diesen nutzen können und ihn letztendlich zu Schwefelwasserstoff umwandeln. Das sind dann aber Kobolde und keine netten Heinzelmännchen. Das Problem ist nicht nur der unangenehme Geruch, sondern sind massive Schäden im Kanal selbst. Denn andere Bakterien wandeln den Schwefelwasserstoff zu Säure um, die den Beton und die Metalleinbauten zerstört.

Ich sag’s ja, Kobolde! Wie können wir die loswerden?
Wir beschäftigen uns schon seit Langem mit diesem Problem und haben herausgefunden, dass eisenhaltige Produkte wie unser Donau Bellair eine gute Lösung sind. Sie wirken schnell und selektiv und können zudem in der Kläranlage wieder regeneriert und für die Phosphatfällung verwendet werden. Das ist ein großer Vorteil: Derselbe Wirkstoff wird mehrfach genutzt. Auch andere Vortragende haben die Vorzüge von eisen haltigen Produkten hervorgestrichen – wobei die Mehrfachnutzung ein neuer Aspekt war, der auf großes Interesse gestoßen ist.

Was gab es sonst noch?
Viele interessante Dinge. Zum Beispiel die neue Kläranlage in Prag, die vollständig unter der Erde versteckt wird. Darüber soll ein Park errichtet werden.
Und vieles mehr …

Das klingt spannend! Erzähl weiter!
Nein, heute nicht mehr, vielleicht morgen.

Zum nächsten Kongress komme ich aber auch mit – unbedingt!
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