Papa, was trinken Astronauten?
Felix ist baff: Abwasser und Meerwasser können in reines, köstliches Trinkwasser verwandelt werden. Wie das wohl funktioniert?
Von Alexander Jereb, Entwicklung Wassertechnik
Papa?“
„Ja, mein Schatz?“
„Ich kann heute nicht schlafen, der Mond scheint so hell.“
„Versuch einfach, deine Augen zuzumachen. Heute ist Vollmond, da passt der Mann im Mond besonders gut auf dich auf!“
„Okay, Augen sind schon zu.“
„Träum schön, Felix!“
„Papa? Hat der Mann im Mond eigentlich auch eine Kläranlage?“
„Nein. Am Mond gibt es kein Wasser, zumindest nicht in flüssiger Form.“
„Aber woher bekommen dann die Raumfahrer ihr Wasser?“
„Für die gilt: Wasser sparen und der Rest wird wiederverwertet. Zum Beispiel das Wasser, das zum Waschen verbraucht oder über den Schweiß und die Atmung ausgeschieden wird. Aber auch der Urin der Raumfahrer sowie der Tiere, die manchmal mit an Bord sind.“
„Wähh, igitt! Ich werde nie Raumfahrer, ich bleibe lieber auf der Erde.“
„Na ja, auf der Erde wird es das in Zukunft möglicherweise in Regionen mit geringen Trinkwasservorkommen auch geben – und gibt es teilweise schon. Auf der ISS, der internationalen Raumstation, wird zum Beispiel das Wasser aus dem Urin gesammelt und destilliert, die Fremdstoffe, wie Haare usw., werden abfiltriert und Krankheitserreger durch eine spezielle Hitzebehandlung zerstört. Dann ist es reiner als unser Trinkwasser. Die Technologie existiert schon und wird angewandt – auch auf der Erde.“
„Wo denn?
„In Singapur zum Beispiel – dort gibt es das sogenannte ‚New Water‘. Dabei wird das Abwasser, das die Kläran-lage verlassen hat, zuerst durch eine Mikrofiltration gereinigt. Hier bleiben kleine Partikel bis hin zu Bakterien und größeren Viren hängen. Das daraus gewonnene Filtrat muss dann in einer Umkehrosmose durch eine Membran fließen. Diese Membran hat so feine Poren, dass nur Wasser und andere sehr kleine Moleküle durchkönnen. Bakterien, Viren und verschiedene Giftstoffe bleiben zurück.“
„Ah ja, Membran – das kenne ich schon, das ist so wie bei der Elektrolyse in Brückl.“
„Ja, so ähnlich, wenn auch das Produkt ein anderes ist. Das Wasser wird dort zur Sicherheit zusätzlich mit UV-Licht desinfiziert. Am Ende müssen dann noch Mineralstoffe zugesetzt werden, damit es auch verwendbar und genießbar wird.“
„Kommt dieses Wasser in Singapur aus dem Wasserhahn?“
Nicht direkt. Der größte Anteil wird – vermutlich aus psychologischen Grün-den – für industrielle Zwecke und Kühlanlagen verwendet. In der Trockenzeit wird aber ein Teil in die Trinkwasserre-servoirs eingespeist und durchläuft mit dem restlichen Wasser die herkömmliche Trinkwasseraufbereitung – auch, wenn es aus hygienischer Sicht nicht nötig wäre. Insgesamt deckt Singapur so 30 Prozent des gesamten Wasserver-brauchs des Landes ab. Bis 2060 sollen es sogar 55 Prozent sein.“
„Wird es so etwas in Zukunft auch in Österreich geben?“
„Wir sind eines der wenigen Länder der Erde mit ausreichenden Wasserreserven in trinkbarer Qualität, und es wird trotz Klimawandel hoffentlich noch lange so bleiben. Doch in anderen Regionen der Erde gibt es zu wenig oder zumindest zu wenig sauberes Wasser. 160 Millionen Menschen vorwiegend aus armen Ländern haben nur verschmutztes Wasser aus Flüssen, Wasserlöchern oder Seen zur Verfügung, das nicht zum Trinken geeignet ist. Daher sterben jeden Tag bis zu 10.000 Menschen – meist Kinder, alte Menschen und Menschen auf der Flucht – weltweit an den Folgen von Krankheiten, die durch schmutziges Wasser übertragen werden.“
„Das ist aber traurig!“
„Ja, das ist es wohl. Der Klimawandel, die rasch wachsende Erdbevölkerung und Kriege machen es nicht unbedingt leichter. In vielen Regionen der Welt gibt es immer weniger Regen und lange Trockenperioden. Selbst reiche Länder wie Kalifornien bleiben nicht verschont. Dort wird bereits seit 1976 im Orange County, südlich von Los Angeles und nicht weit von Disneyland entfernt, in der Water Factory 21 Abwasser aus der Kläranlage nach einem ähnlichen Ver-fahren wie in Singapur aufbereitet und in den Boden zurückgepumpt.“
„Toll, können wir da einmal hinfahren? Dann kann ich Mickey Mouse besuchen! Aber wozu soll das mit dem Wasserpumpen gut sein?“
„Das soll verhindern, dass Grund- mit Meerwasser vermischt wird. Das Trinkwasser wird dann wieder aus dem Boden entnommen. Das bringt mit sich, dass aus den Leitungen rund ums Disneyland letztendlich aufbereitetes Abwasser sprudelt, allerdings in einer trinkbaren Qualität. Water Factory 21 produziert mittlerweile über 300 Milli-onen Liter pro Tag. Damit könnte man bei uns mehr als 2 Millionen Menschen versorgen.“
„Aber was ist mit dem Meer? Da gibt es ja unglaublich viel Wasser.“
„Das stimmt. Die Meere enthalten 97 Prozent des gesamten irdischen Wassers. Aber es ist als Trinkwasser so nicht nutzbar.“
„Warum nicht?“
„Beim Schwimmen im Meer hast du sicher schon einmal einen Schluck erwischt. Wie hat es geschmeckt?“
„Pfui, salzig!“
„Na siehst du! Trinkt man zu viel Salz-wasser, trocknet der Körper aus – man verdurstet sozusagen.“
„Echt? Das ist aber gar nicht cool.“
„Nein. Aber es gibt Wege, das Salzwasser in Trinkwasser umzuwandeln.“
„Vielleicht sollte man König Triton den Salzstreuer wegnehmen?!“
„Das muss man gar nicht. Es gibt verschiedene Verfahren, Meerwasser zu entsalzen. Die benötigten früher immer sehr viel Energie. Moderne Verfahren arbeiten nach dem Prinzip der Umkehr-osmose und sind dadurch billiger.“
„Genau: Umgekehrte Mimose – das gibt es ja auch in Singapur und beim Disneyland.“
„Gut mitgedacht, Umkehrosmose, stimmt. Entsalztes Meerwasser trinken die Menschen wahrscheinlich lieber als das gereinigte Abwasser – aus chemisch-hygienischer Sicht unterscheiden sie sich nicht. Aufbereitetes Meerwasser wird für viele Länder die wichtigste Wasserquelle werden.
Die Verwertung unserer Abwässer wird in Zukunft ebenso größere Bedeutung bekommen. Dadurch werden wir in der Donau Chemie auch vor neue Herausforderungen gestellt, man wird vielleicht bessere Fällungs- und Flockungsmittel benötigen, Desinfektionsmittel wie Chlorgas, auf alle Fälle auch Aktivkohle zur weitergehenden Reinigung von Abwässern oder ganz andere, neue Produkte – die Zukunft hat jedenfalls schon begonnen.“
„Wow. Was kommt da noch?“
„Später, mein Schatz. Jetzt ist es Zeit zu schlafen. Gute Nacht!“
„Papa, vielleicht werde ich doch Raumfahrer – dann kann ich dem Mann im Mond ein Glas Wasser bringen. Der muss ja schon seeehr großen Durst haben!“