Exklusivinterview: Wir kennen euch in- und auswendig!“

Woher kommen Sie?
Woher ich komme, ist schwer zu beantworten. Zuletzt erblickte ich in den Alpen das Licht der Welt. Auch wenn Sie mich nicht persönlich kennen, so haben Sie sicher schon einige Millionen meiner 2,8 Septillionen Artgenossen getroffen, geschmeckt, getrunken, sich mit ihnen gewaschen, in ihnen gebadet.

Wie erleben Sie uns Menschen?
Eines kann ich mit Sicherheit behaupten: Ich kenne viele von euch buchstäblich in- und auswendig. Ihr braucht uns mit Sicherheit, aber wir könnten auch gut ohne euch leben.

Erzählen Sie uns von Ihrer letzten Reise!
Wie gesagt, angefangen hat die Reise in den österreichischen Alpen. Nett ist es da. Aber gleich darauf verschwand ich in einem Rohr. Erst 36 Stunden später wurde es hell und ich landete mit 4.700 anderen in einem Glas. Nur Sekunden später wurden wir in ein finsteres Loch gesaugt, und da verliert sich meine Erinnerung. Einige Stunden später wurde ich von leisen Zitherklängen geweckt – man erzählte mir später, es handle sich um das den Menschen wohl bekannte Harry-Lime-Thema! – und schaute in die Augen einer riesigen Ratte. Glücklicherweise wurde ich fortgerissen von diesem schaurigen, stinkenden Ort. Kurz darauf kam ich wieder ans Tageslicht. Meine Mitreisenden und ich wurden ordentlich durchgewirbelt, Luftbläschen drängten sich zwischen uns, Monster, die ihr Bakterien nennt, verschlangen uns, aluminium- und eisenhältige Kollegen mischten sich unter uns. Ich weiß, das klingt wie aus einem billigen Horrorstreifen, letztendlich waren wir aber wieder frei von all dem Schmutz, den ihr uns aufgeladen hattet. Ich fühlte mich, wie ihr es nennt, „frisch geduscht“, als ich die Kläranlage verließ und in einem breiten Fluss landete. Die Freude währte aber nur kurz, denn bald darauf landete ich im Schlund eines riesigen Fisches.

Eine abenteuerliche Geschichte, kaum zu glauben, wie ging’s dann weiter?
Ich weiß nicht, wie lange ich in dem Bauch des Fisches gefangen war, irgendwann fand ich mich jedenfalls im Fluss wieder, der mittlerweile alles andere als Trinkwasserqualität hatte. Ich fühlte mich richtig schwer, aufgeladen mit Schmutzpartikeln – kaum mehr in der Lage weiterzuschwimmen. Ich wurde immer schwerer! Da erfasste mich ein starker Sog und ich verschwand wieder einmal in einem Rohr. Diesmal war es eine Trinkwasseranlage! Hier befreiten mich aluminiumhältige Mittel von den Schmutzstoffen, in Sandfiltern erhielt ich sozusagen eine Feinwäsche und in dem Porenlabyrinth von Aktivkohlekörnern wurden auch in mir gelöste Schadstoffe herausgesaugt. Schließlich vernichtete Chlorgas auch noch die Krankheitserreger, die sich zwischen uns versteckten. Nach diesem Frühjahrsputz landete ich wieder einmal in einem Glas. Was dann geschah, wissen Sie bereits: „Täglich grüßt das Murmeltier“, sage ich nur. Wasser ist immer in Bewegung und ein Molekül niemals allein anzutreffen.

Ein ewiger Kreislauf sozusagen …
Das können Sie laut sagen, nur ohne Aussicht auf ein Nirvana (lacht). Einige Tausend Kilometer weiter erreichten wir sonnigere Gefilde. Abgesehen vom Salzgehalt, der uns deutlich schwerer werden ließ, war es ganz nett im Meer – eine endlose Weite, sag ich Ihnen! Wenn man aber zu lange in der Sonne badet, wird einem irgendwann zu heiß und man nimmt ab. Um einiges leichter wurde ich dann vom Wind erfasst und nach oben getragen, unter mir der glitzernde Ozean, der scheinbar immer kleiner wurde. Die Luft da oben ist viel dünner und bitterkalt und ich wurde wieder einmal schwerer. Ich überlegte kurz, ob ich mich auf die Tragflächen eines vorbeifliegenden Flugzeugs setzen sollte, entschloss mich schließlich doch, den schnelleren Jet Stream zu nehmen. Als ich dann wieder meine geliebten Berge unter mir vorbeiziehen sah, war ich schwer genug, um wieder als Regentropfen auf die Erde zu fallen …

Und dann landeten Sie ausgerechnet auf meiner Nasenspitze …



Das Exklusivinterview mit einem Mitglied von H2O führte Alexander Jereb (Entwicklungsleiter Wassertechnik).
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