Die unglaubliche Reise von drei Freunden

Felix liebt es, bei Wanderungen schöne Steine zu sammeln.

 
Von Alexander Jereb, Entwicklungsleiter Wassertechnik




Papa, das ist aber ein schöner Stein – so schön rot! Den nehme ich mit nach Hause.
Nicht noch einen, mein Rucksack wird ja immer schwerer!

Bitte den noch! Was ist das überhaupt für ein Stein?
Die rote Farbe deutet darauf hin, dass er Eisen enthält. Hier in der Region könnten es die Eisenkarbonate Siderit oder Ankerit sein. Die Rostschicht an der Oberfläche ist vermutlich Brauneisenstein, ein Eisenhydroxid, das durch die Verwitterung entsteht. Diese Erze wurden übrigens schon in der Römerzeit ganz in der Nähe des jetzigen Standorts der Donau Chemie in Hüttenberg abgebaut.

Ah – daher macht ihr in Brückl Eisenchlorid!
Siderit wäre leider kein guter Rohstoff für uns. Wir verwenden Eisenmetall, Eisenoxide oder auch eisenhaltige Lösungen. Meist sind dies Nebenprodukte, die wir im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu hochwertigen Fällungsmitteln verarbeiten.

Aber wie wird der Eisenstein zu Eisenmetall und dann zu Eisenchlorid?
Ich erzähle dir eine kleine Geschichte: Es waren einmal drei Eisenatome, Rusty, Sid und Anka, die Jahrmillionen im Gestein des Erzbergs verbrachten – bis sie mit einem gewaltigen Knall an die Oberfläche katapultiert wurden. Nach der Erzaufbereitung wurden die drei Freunde mit dem Zug zum Stahlwerk gebracht und in einen riesigen Hochofen gekippt. Dort war es so heiß, dass sich die Freunde von ihren Begleitern verabschieden mussten – den Sauerstoffatomen, den Karbonaten, dem Kalzium oder auch den sauren Silikaten. Die drei Eisenfreunde schmolzen in der Hitze.

Wie das Eis in der Sonne?
Ja, genau, allerdings bei Temperaturen zwischen 1.300 und 1.800 °C.

Das wäre mir zu heiß!
Mir auch. Das flüssige Roheisen wurde in einem anderen Topf, dem Konverter, durch Verbrennen des Kohlenstoffs zu Stahl verarbeitet. So fanden sich die drei Freunde schließlich in einem Stahlblock wieder. Doch bald hieß es Abschied nehmen: Rusty ging beim Walzen des Stahls verloren, als er sich an der glühenden Oberfläche des Blocks mit Sauerstoff zu Zunder verband. Bei der anschließenden Reinigung, dem Beizen mit Salzsäure, wurde Sid von der Säure mitgenommen. Zurück blieb Anka im Stahlblech. 

Oje, die Armen waren sicher traurig!
Sicher, aber die Geschichte geht weiter: Eines Tages landete Anka in einem großen Topf mit einer sauren Flüssigkeit. Das Blechstück löste sich auf, und sie fühlte sich plötzlich frei, wie ein Fisch im Wasser. Da erblickte sie Sid und Rusty. Was für eine Freude! Rusty kam mit dem Zunder hierher und Sid wurde mit der Beizsäure hergebracht. Der Topf war Teil der Eisenchloridanlage der Donau Chemie, und die Flüssigkeit nannte man …

Eisenchlorid!
Genau! In der Anlage wurden ein paar lästige Begleiter – Schwermetalle, Kohlenstoff und Silikate – entfernt, und Chlorgas wandelte das Eisen-(II)­- in Eisen-(III)-­chlorid um. In einem riesigen Tank feierten sie ihr Wiedersehen.

Hoffentlich mit Abstand!
Doch schon wenige Stunden später mussten sie das Werk in einem LKW verlassen und landeten in einem Lagertank einer Kläranlage. Kaum waren sie da, wurden sie von einer Pumpe angesaugt, durch einen dünnen Schlauch gedrückt und fielen in schmutziges Wasser. Verzweifelt klammerten sie sich aneinander, doch Rusty wurde von einem Phosphation eingefangen, Sid von einem Sulfidion. Anka wurde von Wassermolekülen eingehüllt und bildete mit ihnen ein Eisenhydroxid.

Auweh, jetzt sind sie schon wieder  voneinander getrennt!
Ja, aber dabei erfüllen sie wichtige Funktionen: Die Fällung des Phosphats, damit die Flüsse nicht zu stark belastet werden, und Entfernung von Sulfiden bzw. giftigem Schwefelwasserstoff.

Stimmt – das Faule-­Eier-­Gas!
So ist es. Das Eisen verbindet sich mit den Sulfiden, wodurch sie nicht ins Faulgas aus der anaeroben Stufe gelangen – eine wichtige Voraussetzung für die nachhaltige Nutzung das Biogases. Damit können Kläranlagen erhebliche Anteile des eigenen Energiebedarfs abdecken. Durch einen geschickten Einsatz der Fällmittel wird nicht nur die Biogasproduktion optimiert, sondern auch die biologische Stufe entlastet. So verbessert man die Energiebilanz und leistet außerdem einen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen wie Kohlendioxid, aber auch Lachgas.

Warum lacht das Gas?
Lachgas ist Distickstoffmonoxid, es entsteht bei der Nitrifikation und hat ein 298 Mal höheres Treibhausgaspotenzial als CO2. Beim Einatmen kann es tatsächlich Euphorie­-Zustände auslösen und damit manche zum Lachen bringen.

Cool – schade, dass es ein Treibhausgas ist, sonst würden die Leute in Zukunft mehr lachen. Hat das Hydroxerid auch eine Funktion?
Natürlich. Es trägt unter anderem zu einer verbesserten Flockung des Schlamms bei. So sinkt dieser im Nachklärbecken schneller zu Boden – das ist wichtig für eine zuverlässige Trennung des Schlamms vom gereinigten Abwasser.

Warum?
Im Schlamm sind die Mikroorganismen enthalten, die das Abwasser reinigen. Die müssen in der biologischen Stufe erhalten bleiben. Daneben sind im Schlamm die Stoffe enthalten, die nicht in den Fluss gelangen sollen: Nährstoffe wie Phosphor, organische Stoffe, aber auch Schwermetalle. Bei einer guten Flockung landen die fast vollständig im Schlamm.

Auch die bösen Bakterien und Viren, wie das blöde Corona?
Ja, durchaus. Studien belegen, dass in der biologischen Reinigung auch Krankheitserreger um zumindest eine Log-­10-­Stufe, d. h. zu 90 Prozent, im Wasser entfernt werden. Für Bakterien sind noch deutlich höhere Entfernungsraten erzielbar. Untersuchungen mit Fällmitteln haben gezeigt, dass sogar bis zu 99,9 Prozent der Viren durch Flockung aus dem Wasser entfernt werden können, das wäre eine Log­10-­Reduktion von bis zu 3. Das können alle Eisenchloride oder Polyaluminiumchloride, wie wir sie etwa produzieren – man braucht nicht einmal teure Spezialprodukte dafür.

Was passiert dann mit den Viren?
Die Fällmittel zerstören die Viren nicht, sie binden sie an die Schlammflocke. 

Dann treffen sich ja alle wieder im Schlamm?
Ja, genau. So war es auch. Die drei Freunde feierten im Faulturm ein Wiedersehen. Nach der Schlammentwässerung gingen sie noch einmal auf Reisen. Diese führte sie zur thermischen Behandlung. Dort wurde es wieder richtig heiß, viele der Schadstoffe – auch die Viren – wurden dabei zerstört, und die drei Eisenfreunde landeten als Oxide und Phosphate in der Asche. 

Und wie ging es dann weiter?
Irgendwann wird jemand kommen, die Asche aufbereiten und die darin enthaltenen Wertstoffe herausholen und zu neuen Produkten verarbeiten. Und dann begeben sich Rusty, Sid und Anka wieder auf die Reise – aber das ist eine andere Geschichte. 
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