Die Kläranlage als Kraftwerk

Felix ist überrascht: Aus Abwasser kann man Energie gewinnen! Kläranlagen decken damit ihren Strombedarf, mehr ist momentan noch nicht möglich. Doch der kleine Donau Chemie-Fan träumt schon jetzt davon, in der Zukunft sein Auto am Kanal aufzutanken.
 
Von Alexander Jereb, Entwicklung Wassertechnik

Papa, mein neues ferngesteuertes Auto fährt nicht mehr!
Wahrscheinlich ist es zu müde, es ist ja schon spät.

Aber Paapaaa, das Auto kann nicht müde sein, die Batterien sind leer.
Wir müssen sie ganz einfach wieder aufladen. Du musst jetzt ganz schnell ins Bett und deine Batterien wieder aufladen. Ich habe ja gar keine Batterien. Deine Körperzellen brauchen auch Energie. Das ist bei jedem Lebewesen so.

Auch beim Vogel?
Ja.

Und beim Reh und Wal und Baum und …?
Ja, sicher, bei allen.

Bei den Bakterien in der Kläranlage auch?
Ja, natürlich.

Woher bekommen sie ihre Energie?
Aus dem Abwasser und den dort enthaltenen Nährstoffen. Das ist die Nahrung für die Bakterien. Daraus gewinnen sie unter anderem ihre Energie, die sie zum Überleben benötigen. Du musst ja auch jeden Tag etwas essen.

Und wenn ich was esse, haben die Bakterien auch was davon.
Wie meinst du das?

Na ja, wenn ich viel esse und trinke, muss ich auch ganz oft aufs Klo gehen. Was da so hineinplumpst, bekommen die Bakterien in der Kläranlage.
Abwasser hat tatsächlich einen nicht unbedeutenden Energieinhalt. Aus dem Anteil organischer Stoffe im Abwasser, die im chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) erfasst sind, ergibt sich ein theoretisches Energiepotenzial je Einwohner und Jahr, mit dem eine durchschnittliche Familie ihren elektrischen Energiebedarf für 2 bis 3 Wochen decken könnte. Darüber hinaus liefern wir auch noch im Durchschnitt 0,66 Kilogramm Phosphor und 4 Kilogramm Stickstoff.

Dann bin ich die Batterie für die kleinen Tierchen.
Du, wir und alle anderen füttern sie.

Ist das eigentlich viel Energie, die da im Wasser steckt?
Man kann die Energie nur zu einem geringen Teil nutzen. Die Kläranlage braucht ja selbst auch Energie – so 30 bis mehr als 40 Kilowattstunden in einem Jahr je Einwohner. Der Großteil davon wird für die Belüftung der biologischen Reinigungsstufe benötigt, wo die Bakterien die stickstoffhaltigen Verbindungen zu Stickstoffgas umwandeln. Dabei geht auch ein erheblicher Anteil der chemischen Energie verloren, da gleichzeitig Kohlenstoff zu Kohlendioxid wird. Der verbleibende Kohlenstoff wird im Faulturm zum Teil zu Methangas. Das nutzen heute viele Kläranlagen, um Wärme und elektrischen Strom zu produzieren. Diese Elektrizität entspricht dann im Endeffekt nur maximal zehn Prozent des theoretischen Energieinhalts des Abwassers.

Das ist nicht so viel, oder?
Manche Kläranlagen decken damit zumindest den eigenen Strombedarf. Und immer mehr Anlagen möchten Energie sparen und möglichst viel Energie aus dem Prozess gewinnen. Das erfordert ein Umdenken: Das Ziel des Belebtschlammverfahrens, des Herzstücks jeder modernen Kläranlage, ist es ja nicht, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, sondern die organischen Verunreinigungen mit Hilfe der Bakterien in einem hohen Grad zu mineralisieren. Die Bakterien stellen Steine her? Wieso Steine?

Du hast ja was von mineral-dings gesagt? Sind das nicht Steine?
Mineralien sind Steine, da hast du recht. In dem Fall versteht man unter mineralisieren, dass die organischen Stoffe in anorganische, zum Beispiel Kohlendioxid, umgewandelt werden.

Kann man den Bakterien nicht beibringen, andere Stoffe zu erzeugen?
Das nicht, aber man kann die Bedingungen und Prozesse ändern. Das Ziel ist, im Faulturm möglichst viel Methan zu erzeugen. Dafür brauchen die Mikroorganismen Kohlenstoff. Daher überlegt man sich Konzepte, wie möglichst viel Kohlenstoff schon im Bereich der Vorklärung oder in einer ersten Stufe in Richtung Faulturm ausgeschleust werden kann.

Da werden sich die Bakterien im Faulturm aber freuen!
Das stimmt und noch mehr die Betreiber der Kläranlage. Wenn das gelingt, wird in der aeroben Stufe …

Das ist dort, wo es so schön blubbert, oder?
Ja, genau ... es wird weniger Sauerstoff benötigt und damit weniger Energie für die Belüftung.

Ohje, dann blubbert es nicht mehr so schön!
Keine Angst, man muss zwar darauf aufpassen, dass auch die aeroben Bakterien nicht zu kurz kommen. Aber wenn der Kohlenstoff optimal aufgeteilt wird, funktioniert der Stickstoffabbau weiterhin und gleichzeitig verbessert sich die Energiebilanz.

Was kann man machen, wenn nicht mehr Kohlenstoff da ist?
Kläranlagen mit Faultürmen setzen vermehrt organische Reststoffe ein, zum Beispiel Küchenabfälle, Rückstände aus Fettabscheidern und andere. Diese enthalten meist leicht abbaubare Verbindungen, die rasch in Methan und somit Energie umgewandelt werden können. Allerdings können sich dabei auch Probleme ergeben, die die Klärwärter in den Griff bekommen müssen. So können die Reststoffe größere Mengen Schwefel enthalten, der als Schwefelwasserstoff ins Biogas gelangt.

Pfui, das Biogas wird aber schön stinken!
Der Schwefelwasserstoff wäre in diesen Konzentrationen schon geruchlos, aber sehr gefährlich: Bei der Biogasverwertung würde es zu Schäden im Gasmotor führen. Glücklicherweise können wir zur Entfernung dieses schädlichen Gases beitragen – mit unserem Donau Bellamethan etwa und auch mit der Aktivkohle der Donau Carbon. So kann der Energieproduktion auf der Kläranlage nichts mehr im Weg stehen.

Super! Aber schade, dass ich in mein ferngesteuertes Auto keinen Faulturm einbauen kann. Gibt es keine Abwasserbatterie?
Theoretisch so etwas Ähnliches: eine mikrobielle Brennstoffzelle zum Beispiel.

Cool, gibt es die für mein Rennauto?
Die Technologie ist noch weit von der Umsetzung entfernt. Noch sind die erreichbaren Stromdichten zu gering.

Ich werde Autos erfinden, die beim Kanal betankt werden können.
Da musst du aber viel lernen.

Aber Papa, das dauert noch so lang!
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